Teitel

Jacob Lwowitsch Teitel (1850–1939) war der einzige wirkliche Staatsrat jüdischen Glaubens im Russischen Zarenreich. Über 37 Jahre wirkte er als Untersuchungs- und Bezirksrichter. Wachsender Antisemitismus zwang ihn, sein Amt niederzulegen. 1921 wanderte er nach Deutschland aus und lebte bis 1933 in Berlin, wo er als Vorsitzender des „Verbandes russischer Juden in Deutschland“ für die Rechte der Juden und ihr Einleben im Exil eintrat. Der Verband wurde 1935 unter dem Druck der Nationalsozialisten aufgelöst, war jedoch noch bis 1939 illegal tätig, gab Hilfestellung bei der Beschaffung von Arbeitsmöglichkeiten, ärztliche, rechtliche und soziale Unterstützung für Bedürftige, Schulungen und Sprachkurse und veranstaltete Vorträge, Tanztreffen und Diskussionsrunden. Rabbiner Leo Baeck, Albert Einstein, James Simon, Paul Nathan, Arnold Zweig sowie zahlreiche weitere Vertreter des deutschen Judentums unterstützten ihn. Teitel gründete außerdem die Weltvereinigung „Kinder-Freunde “, in der er Kinder verschiedener sozialer Gruppen zusammenbrachte. Die Jacob-Teitel-Mittelstandküche bestand als Treffpunkt der Juden in Berlin bis zur Auflösung der Gemeinde. Im Pariser Exil gründete Teitel für die russischen Juden, die noch nicht aus Deutschland geflohen waren, das Komitee zur Hilfe russischer Juden in Deutschland, das für viele lebensrettend wurde. 1938 reiste er als Vertreter der russischen Juden in Europa zur Flüchtlingskonferenz von Évian, die er resigniert und desillusioniert verließ. Simon Dubnow nannte Jacob Teitel den „Exilarch der russischen Kolonie in Berlin“.

„Ich habe stets gedacht, dass man dem Menschen nicht unbedingt nur materiell zur Hilfe kommt, sondern ihm das Gefühl gibt, dass er nicht im Stich gelassen wird, damit er sich nicht unendlich einsam und in seiner Sorge allein gelassen fühlt.“ Jacob Teitel

Die Ausstellung und das Buch schildern die Geschichte der Einwanderung der russischsprachigen Juden in Deutschland.

Elena Solominski
geboren 1963 in Kiew, promovierte an der Akademie der Wissenschaften der Ukraine zum Dr. rer. soc., lebt seit 1993 in Düsseldorf, kuratierte internationale Ausstellungen, Kultur- und Bildungsprojekte, u. a. Deutsches Kulturjahr in Moskau (2005) und Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ (2021). Sie ist auch die Autorin der russischsprachigen Biographie Jacob Teitels: „Jacob Teitel. Beschützer der Geflüchteten. Richter im Russischen Zarenreich und Vertreter der Öffentlichkeit in Deutschland“ (Aleteja, 2019).

PDF Lesen

Cookie-Einstellungen